Ansicht des Konzentrationslagers Ravensbrück
Unzälige Menschen wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft erniedrigt, verfolgt und verschleppt. Erna de Vries ist eine von vielen. Dennoch bleibt ihr Schicksal ein Besonderes: Nur wenige Frauen haben wie sie eine Nacht im Todesblock 25 in Auschwitz-Birkenau verbracht und überlebt. Die folgenden Seiten schildern ihre bewegende Geschichte.
Aufenthalt in Ravensbrück und Befreiung

Am 16.September 1943 erreicht der Transport das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Auch hier kommt Erna Korn zunächst in Quarantäne. Dort trifft sie Libusé Ingrova wieder, eine tschechische Gefangene, mit der sie bereits in Auschwitz im gleichen Block untergebracht war. Die beiden Frauen werden Freundinnen. Da Libusé Ingrova Zugang zur Küche des Lagers hat, kann sie Erna regelmäßig mit zusätzlichen Brotrationen versorgen.

In Ravensbrück werden Ernas Wunden zum ersten Mal notdürftig versorgt. Insgesamt herrschen im Konzentrationslager bessere Haftbedingungen als im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Vor meinem 20. Geburtstag habe ich mein Brot abends in meinen Beutel gesteckt, damit ich am nächsten Tag, einmal richtig das Gefühl von satt sein haben konnte. Das war mir ganz wichtig. Ich hab abends mein Brot verstaut, unter meinen Kopf gelegt. In dem Beutel war all meine Habe, mein Messer, meine Gabel, Löffel, was weiß ich was noch. Und am Morgen, als ich wach wurde und hinter mich griff, da war der Beutel weg. Man hatte mich bestohlen. Ich hatte solche gemischten Gefühle, ich weiß gar nicht, ob ich die jemals hatte. Ich war wütend und traurig in einem. Traurig, dass man mich bestohlen hat, also dass ein Häftling einem anderen das antun konnte, und wütend, dass mir das passiert war, dass ich nichts zu essen hatte. Erna de Vries, 2006

1944 wird die mittlerweile 20-jährige in das angeschlossene Siemenslager verlegt. Wie viele Industriebetriebe beschäftigt auch Siemens die billigen Arbeitskräfte aus den Konzentrationslagern. Dort muss Erna Korn Arbeitsdienst für die Rüstungsindustrie leisten, bis das Werk am 14. April 1945 geschlossen wird und sie zurück ins Stammlager muss.

Da die alliierten Truppen immer weiter vorrücken, werden die Konzentrationslager nahe der Front evakuiert und die Häftlinge in andere Lager verlegt, auch nach Ravensbrück. Dort haben sich die Bedingungen katastrophal verschlechtert: Die Baracken sind überfüllt, und es gibt kaum Lebensmittel. Gerade in der Endphase des Lagers steigt die Todesrate unter den Häftlingen enorm an.

Ab dem 27. April 1945 wird auch das Konzentrationslager Ravensbrück geräumt. Alle Lagerinsassen, die noch laufen können, werden Richtung Nordwesten in Marsch gesetzt, die restlichen zum Sterben zurückgelassen. Mehrere Tage werden Erna Korn und ihre Mitgefangenen auf diesem „Todesmarsch“ durch das zerstörte Land getrieben. Sie ist erschöpft und kurz davor aufzugeben. Doch ihre Freundinnen aus dem Lager überreden sie, immer weiterzugehen. Kurz darauf wird der Treck in Mecklenburg von alliierten Soldaten befreit. Zwei Monate lang kommen die drei Freundinnen mit anderen Häftlingen in einer Scheune in der Nähe des Dorfes Banzkow unter und halten sich mit Betteln über Wasser. Den Beschlüssen des Potsdamer Abkommens zufolge sollen die ehemaligen Häftlinge in Auffanglager nach Lübeck transportiert werden. Erna Korn weigert sich. Sie bleibt in der Scheune und ist für kurze Zeit auf sich allein gestellt. Auf einem der Höfe in der Umgebung erkennt eine Bäuerin sie als ehemaligen Häftling und bietet ihr an, bei ihr in ihrem Haus unterzukommen. Dieses Angebot nimmt die stark geschwächte Erna Korn gerne an und arbeitet nach ihrer Genesung als Köchin für die Familie.

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