Stadtansicht Kaiserslautern um 1920
Unzälige Menschen wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft erniedrigt, verfolgt und verschleppt. Erna de Vries ist eine von vielen. Dennoch bleibt ihr Schicksal ein Besonderes: Nur wenige Frauen haben wie sie eine Nacht im Todesblock 25 in Auschwitz-Birkenau verbracht und überlebt. Die folgenden Seiten schildern ihre bewegende Geschichte.
Kindheit und Jugend in Kaiserslautern

Erna de Vries, geborene Korn, kommt am 21. Oktober 1923 in Kaiserslautern zur Welt. Sie ist das einzige Kind von Jacob Korn und seiner Frau Jeanette, geb. Löwenstein. Ihr Vater ist Protestant, ihre Mutter Jüdin. Beide beschließen, ihre Tochter im jüdischen Glauben zu erziehen.

Erna Korn erfreut sich einer unbelasteten, schönen Kindheit. Auch finanziell geht es der Familie gut, da ihr Vater Mitinhaber des kleinen Speditionsbetriebes „Sauerhöfer und Korn“ in Kaiserslautern ist. Aufgrund eines schweren Herzfehlers stirb Jakob Korn bereits am 27. April 1931 im Alter von 46 Jahren. Nach dem frühen Tod ihres Mannes führt Jeanette Korn die Geschäfte zusammen mit dem Teilhaber weiter. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten setzen die Repressalien gegen jüdische Betriebe ein. Die Juden sollen sowohl aus dem wirtschaftlichen wie aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden. Die Geschäfte von „Sauerhöfer und Korn“ laufen immer schlechter. Schließlich wird Jeanette Korn als Jüdin 1935 aus dem Speditionsverband ausgeschlossen und muss ihren Anteil des Betriebes aufgeben. Von nun an hat die Familie kein festes Einkommen mehr.

Man merkte schon die Ausgrenzung überall, in den Schulen, Kinder beschimpften einen – wenn sonst jemand sagte „Du Dummkopf!“ oder irgend so was sagten sie dann „Du Jude!“. So war das dann und das bleibt natürlich sitzen. Das sitzt ein Leben lang, so etwas das sitzt drin – diese Ausgrenzung, dieses abgewiesen werden – das sitzt in einem drin.Erna de Vries, 2006

Erna Korn besucht mittlerweile die Volksschule, die Barbarossaschule in Kaiserslautern. Aufgrund der zunehmenden Diskriminierung von Juden wird ihr jedoch von den Lehrern geraten, die Schule zu wechseln. So kommt die zwölfjährige Erna 1935 auf das von Franziskanerinnen geführte Lyzeum, eine katholische Privatschule für Mädchen. Dort verbringt sie zwei glückliche Jahre, ohne Anfeindungen von ihren Lehrern und Mitschülern zu erfahren. 1937 muss sie die gebührenpflichtige Schule jedoch wieder verlassen: Ihre Mutter hält es in Anbetracht der Ereignisse für ratsamer, das Schulgeld zu sparen, um im Ernstfall von den Rücklagen leben zu können. Da ihre Schulzeit noch nicht beendet ist, muss die nun 14-jährige die jüdische Sonderklasse der Röhmschule besuchen. Hier wird sie zusammen mit 28 jüdischen Schülern aller Altersgruppen von einem einzigen, ebenfalls jüdischen Lehrer unterrichtet, bis sie die Schule im Frühjahr 1938 abschließt.

Zu diesem Zeitpunkt erhält Jeanette Korn von Verwandten das Angebot, Deutschland zu verlassen und gemeinsam mit ihnen auszuwandern. Dies lehnt Jeanette Korn jedoch ab, da sie ihre kranke Mutter nicht zurücklassen will. Aus diesem Grund bleiben Jeanette und Erna Korn in Kaiserslautern.  

Um ein wenig Geld zu verdienen, sucht sich Erna Arbeit in einer jüdischen Wäschenäherei. Ihr eigentlicher Berufswunsch, zu werden, rückt in weite Ferne.

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