Nach einer kurzen Zeit in Kaiserslautern kehrt Erna Korn zurück nach Köln, wo sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin in einem jüdischen Altersheim beginnt. Ihren Traum Ärztin zu werden, hat sie nicht vollständig aufgegeben. Deshalb bemüht sie sich um einen Ausbildungsplatz im Israelitischen Asyl, einem großen, jüdischen Krankenhaus in Köln. Die dortige Oberin ist allerdings der Meinung, dass sie dafür noch zu jung sei und will sie nicht direkt nach Abschluss ihrer Hauswirtschaftsausbildung aufnehmen: Zunächst muss sich Erna Korn ein Jahr lang als Pflegerin einer alten Dame beweisen, bevor sie 1941 als Lernschwester im Krankenhaus anfängt.
In Köln als Krankenschwestern trugen wir damals so schwarze Mäntelchen mit Pelerine, Häubchen und dem dicken Stern natürlich. Ich bin in ein Juweliergeschäft gegangen, ich wollte da was abholen. Als ich rein kam, kam eine Frau raus, und als ich wieder raus kam, stand die noch da. Da packte sie mich am Arm, furchtbar bin ich erschrocken, und sagte: „Schwesterchen, tragen sie diesen Stern mit Stolz.“ Das sind Dinge, die einem die Nase wieder über Wasser gehoben haben. Ich glaube wenn die Menschen gewusst hätten, wie so ein leises Nicken, ein kurzer Blick, oder ein freundliches Lächeln, wie einen das ermuntert hat und was einem das gegeben hätte, ich glaube sie wären noch mehr bereit gewesen, so was – nehme ich an - zu tun.Erna de Vries, 2006
Ende 1941 beginnen die Nationalsozialisten im ganzen Reich mit der systematischen Deportation von Juden in Ghettos und Konzentrationslager. Als auch aus Kaiserslautern und Köln Menschen deportiert werden, realisiert Erna Korn, dass auch ihre Mutter abgeholt werden könnte. Aus Angst, dass beide für immer voneinander getrennt werden könnten, kehrt Erna Korn nach Kaiserslautern zurück.
Ich habe befürchtet, dass meine Mutter eines Tages von Kaiserlautern aus transportiert würde und ich von Köln, dass wir also getrennt würden. So wie meine Mutter nicht ihre alte Mutter alleine lassen wollte, so wollte ich meine Mutter auch nicht alleine lassen. Ich habe immer geglaubt, wenn man zusammen ist, kann man einander helfen. Aber das war ein Trugschluss. Es war schließlich so, dass einer litt mit dem Leiden des anderen. Erna de Vries, 2006
Noch während Mutter und Tochter gemeinsam überlegen, wie beide zusammen bleiben können, ohne dass Erna ihren Lehrvertrag unterbrechen muss, erhalten sie eine Nachricht aus Köln: Das Israelitische Asyl wurde aufgelöst und alle jüdischen Patienten und Angestellten in das Deportationslager Fort Müngersdorf gebracht. Von dort aus werden sie einige Wochen später in verschiedene Konzentrationslager abtransportiert.
Da Erna Korn ihre Ausbildung beenden möchte, bewirbt sie sich in einem jüdischen Krankenhaus in Frankfurt. Weil ihre Mutter sich weigert Kaiserslautern zu verlassen, nimmt die mittlerweile 18-Jährige den Ausbildungsplatz trotz einer Zusage nicht an. Wie sie später erfährt, wird auch dieses Krankenhaus nur wenige Wochen darauf, im August 1942, aufgelöst. Auf diese Weise entgeht sie zum zweiten Mal einer Deportation.
Um gleichzeitig arbeiten und in der Nähe ihrer Mutter sein zu können, sucht sich Erna Korn Arbeit in einer nahe gelegenen Eisengießerei. Dort ist sie etwa ein Jahr lang beschäftigt.
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